Im Interview mit GOLF’n’STYLE spricht die schwedische Golf-Nationaltrainerin Katarina Vangdal über die Gründe für die schwedische Dominanz auf der Ladies European Tour und den Einfluss von Vorbildern wie Annika Sörenstam.
Rückblick 12. Juni 2022: Als erste Frau gewinnt Schwedens Topgolferin – die zu dem Zeitpunkt gerade einmal 22 Jahre alte Linn Grant – ein professionelles Golfturnier gegen einige Europas bester Spieler. Beim Sandinavian Mixed – einem Misch-Turnier der DP World Tour und der Ladies European Tour – setzt sich Grant mit neun Schlägen Vorsprung vor ihrem Landsmann Henrik Stenson durch. Es ist die Krönung einer unglaublich starken Saison mit vier Toursiegen und der völlig verdienten Krone im Saisonranking, in dem hinter ihr mit Maja Stark und Johanna Gustavsson sogar noch zwei weitere Schwedinnen landen. Warum das europäische Damengolf zuletzt so dominant ist und wie in Schweden die Talentförderung funktioniert, erklärt Schwedens Nationaltrainerin Katarina Vangdal im Interview mit GOLF’n’STYLE.
Von links nach rechts: Schwedens Golflegende Annika Sörenstam, Scandinavian-Mixed-Siegerin Linn Grant und Henrik Stenson.
Wenn man auf die Weltrangliste der Damen blickt, wird klar, dass Schweden das aktuell stärkste europäische Damengolf bietet, vor allem in der Breite. Acht europäische Spielerinnen sind unter den Top 40, vier von ihnen kommen aus Schweden. Was macht das schwedische Damengolf derzeit so stark?
Eine ganze Reihe von Umständen. Seit 2011 arbeiten wir mit Spielerinnen auf der höchsten Tour-Ebene, also der LPGA zusammen. Wir haben Trainer vor Ort, die sich zum einen ein gutes Bild davon machen können, was nötig ist, um sich als Spielerin zu etablieren, und zum anderen, was nötig ist, um auf diesem Niveau zu spielen und zu gewinnen. Dieses Wissen und die Erfahrung können wir dann an die jüngeren Spielerinnen weitergeben. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass wir im schwedischen Golf tolle Vorbilder haben. Das sind erfahrene Spielerinnen, die unsere aufstrebenden Youngsters bei Camps des schwedischen Golfteams kennenlernen und ihnen wertvolle Tipps geben können.
Dieser stark aufstrebende Trend ist besonders in den vergangenen Jahren zu beobachten. Wie erklärst du als schwedische Nationaltrainerin dir die absolute Dominanz von Spielerinnen wie Linn Grant oder Maja Stark?
Linn und Maja gehören zu einer Gruppe von Spielerinnen, die sich schon seit ihrer Zeit in der Jugend-Nationalmannschaft kennen und als Gruppe zusammenhalten. Ihr Trainer Fredrik Wetterstrand hat bereits in jungen Jahren auch ihre Eltern einbezogen und sie davon überzeugt, dass es sich lohnt, schon im Jugendalter langfristig zusammenzuarbeiten, um auf lange Sicht den Golfsport zu dominieren. Als Gruppe hat sich das Team sehr hohe Ziele gesetzt. Wir haben ein Dokument „Wir gegen die Welt“ erstellt, das eine Reihe von Dingen festhält. Ein paar Beispiele: Wir passen uns an die Spielerin an, die es am meisten will. Es ist gut für alle, wenn jemand herausragt und die nächste Stufe erreicht. Wir fördern Langfristigkeit, denn es hebt das Potenzial auf lange Sicht.
Natürlich spielt Talent im Golfsport wie in jedem anderen Sport eine große Rolle. Doch die Förderung dieses Talents ist mindestens genauso wichtig. Wie genau geht der schwedische Golfverband da vor? Worauf legt er Wert?
Wir haben eine Reihe von „Überzeugungen“. Unsere Grundsätze sind: Es gibt viele Wege an die Spitze. Alle Wege beinhalten ein hohes Maß an Training, gutes Coaching und Sparring. Und: Talent bedeutet nichts, harte Arbeit schon. Es kann tatsächlich eine Belastung sein, zu viel Talent zu haben. Denn es führt häufig dazu, dass man nicht hart genug arbeitet. Wir achten deshalb sehr stark auf Verhaltensweisen. Wir wollen Dinge sehen, die einem langfristig helfen. Wenn es beispielsweise darum geht, dass die Spielerinnen aggressiver und offensiver spielen sollen, fördern wir Verhaltensweisen, die genau dazu führen. Mental arbeiten wir viel mit dem Motto: Es ist egal, welche Gedanken und Gefühle du hast, konzentriere dich nur auf dein Schwungverhalten. Du kannst wütend, traurig, besorgt sein, es hat keinen Einfluss auf dich. Tu, was du geübt hast und was du kannst.
Anna Nordqvist ist bereits dreifache Majorsiegerin.
Du hast die Vorbilder angesprochen. Annika Sörenstam ist eine Legende des Damengolfs und wahrscheinlich so etwas wie die weibliche, europäische Version von Tiger Woods. Welchen Einfluss hatte und hat sie noch immer auf den schwedischen Damengolfsport?
Die schwedischen Vorbilder sind ein riesengroßer Teil des Erfolgs. Annika zum Beispiel hat so einen großen Einfluss und das in vielerlei Hinsicht. Vor allem durch ihr Turnier, das sie dazu nutzt, um Spielerinnen in verschiedenen Workshops besser zu machen. Sie hat viele Spielerinnen wie eine Anna Nordqvist inspiriert, die heute wiederum Vorbild für die jüngsten Nachwuchsgolferinnen ist. Egal, ob Annika oder Anna: Jeder von ihnen liegt der schwedische Golfsport am Herzen, und sie geben unglaublich viel von ihrem Erfolg zurück.
Natürlich gibt es auch männliche, schwedische Spitzengolfer wie Henrik Stenson oder Alex Noren. Doch ist Alex der derzeit einzige Schwede in den Top 100 der Welt. Warum ist das schwedische Damengolf den Herren derzeit einen Schritt voraus?
Das ist schwer zu sagen. Wir hatten wirklich starke Generationen an Männern, die hauptsächlich auf der European Tour gespielt haben. Bei den Frauen haben viele Spielerinnen in den USA studiert und sind nach dem College dortgeblieben und haben sich in den USA etabliert. Bei den männlichen Golfern sind die meisten in Europa geblieben und der Schritt auf die PGA Tour war größer. Die Ladies European Tour war in der Zeit 2015 und 2016 sehr schwach, sodass die Golferinnen Wege finden mussten, auf die LPGA Tour zu kommen. Mittlerweile sehen wir auch mehr junge männliche Spieler, die in den USA aufs College gehen und dann versuchen, sich über die Korn Ferry Tour zu etablieren. Wir haben eine Gruppe wirklich interessanter junger männlicher Spieler, wie ein Ludvig Åberg, der aktuell beste Amateur der Welt, Tim Widing, Pontus Nyholm auf der Korn Ferry Tour oder Vincent Norrman als Rookie auf der PGA Tour. Hoffentlich können sie jüngere Spieler inspirieren.
Madelene Sagström liegt wie Linn Grant, Maja Stark und Anna Nordqvist in den Top 40 der Weltrangliste.
Linn Grant und Maja Stark haben bewiesen, dass sie in Europa alles dominieren können. Jetzt spielen sie mit Anna Nordqvist und Madelene Sagström auf der LPGA Tour. Was glaubst du, wie erfolgreich sie in den nächsten Jahren auf der großen Bühne sein werden?
Ich glaube, dass sie auf der LPGA Tour eine sehr erfolgreiche Karriere haben werden. Maja hat auf der Tour bereits gewonnen und verfügt über ein Spiel, das auf der LPGA funktioniert. Beide müssen sich als Spielerinnen dennoch weiterentwickeln. Denn die Golfplätze in den USA sind noch einmal deutlich länger und schwerer. Sie müssen weiter das Ziel vor Augen haben, eine bessere Spielerin werden zu wollen und sich anzupassen. Ich werde großen Spaß haben, sie auf der anderen Seite des Teichs möglichst oft spielen zu sehen.
Wie wichtig ist der Status des Golfsports in Schweden allgemein für die Entwicklung und Förderung von Talenten? In Schweden spielen, obwohl wir in hier achtmal so viele Einwohner haben, fast genauso viele Menschen Golf wie in Deutschland.
Es ist für jüngere Spielerinnen und Spieler essenziell, zu sehen, dass es möglich ist, aus Schweden zu kommen und ein Star in unserem Sport zu werden. Golf ist in Schweden ein relativ preiswerter Sport und sehr zugänglich. Vielleicht ist es auch ein weiterer Vorteil, dass die Saison relativ kurz ist. Man muss die Zeit bestmöglich nutzen und im Winter hart an bestimmten Dingen arbeiten, ohne davon abgelenkt zu werden, wie der Ball fliegt.
Zum Abschuss noch eine gemeine Frage: Wer ist derzeit die beste schwedische Spielerin?
Hm, das ist eine wirklich gemeine und schwierige Frage. Nach der Rolex-Weltrangliste ist es Linn Grant, aber Anna Nordqvist mit ihren drei Major-Siegen ist eine wirklich erfahrene Spielerin, vor der ich großen Respekt habe. Auch die anderen Mädels haben alle ihre herausragenden Qualitäten. Ich weigere mich, mich für eine zu entscheiden (lacht). «JAL
„TALENT BEDEUTET NICHTS, HARTE ARBEIT SCHON“
Katarina Vangdal ist seit 1994 Teil des schwedischen Golfteams. Seit 2011 leitet die 55-Jährige das Nationalteam als Cheftrainerin. Ihre Aufgaben im Team umfassen sowohl den administrativen Teil des Programms als auch das Coaching der Spieler. Sie schätzt dabei vor allem auch das „Handwerk“, wenn es darum geht, mit ihren Spielerinnen und Spielern zu arbeiten. Mit den verschiedenen Teilen des Nationalteams ist sie viel in der Welt unterwegs. Wenn sie dann mal Zeit hat, unterrichtet sie zudem als Teaching Pro im Landeryd Golf Club in Linköping, wo sie mit ihrem Mann lebt. Auch er arbeitet als Teaching Pro.
Fotos: Getty Images, Björn Andersson