Wenn der Golfsport zum Teamevent wird und befreundete Profigolfer für ein Wochenende zu erbitterten Feinden, wenn sogar Nichtgolfer den Fernseher anschalten und Golf zum emotionalen Sporthighlight des Jahres mutiert: Dann sind wieder zwei Jahre um und er ist da: der Ryder Cup. Europa gegen die USA.
Die besten Spieler der Welt. Mann gegen Mann. In dieser Vorschau geben wir euch einen Überblick darüber, wer die Fahnen für sein Team hochhält, welche Belange für Europa oder die USA sprechen und Tourpro Max Kieffer verrät, was es mit dem Platz Marco Simone auf sich hat.
EUROPA GEGEN DIE USA IM DIREKTEN VERGLEICH
1. Der Platz
Wie Max Kieffer sagt (siehe weiter unten im Bericht), hat der Platz Marco Simone in Rom kein klassisches Design, das den Europäern, vor allem denen, die viel auf der DP World Tour spielen, zugutekommt. Vielmehr erinnert der Platz von seinem Shape eigentlich an einen amerikanischen Course. Punkt für die US-Amerikaner. 0:1 aus europäischer Sicht.
2. Der Heimvorteil
Sage und schreibe 30 Jahre ist es her, dass die US-Amerikaner die Europäer zuletzt auf fremdem Boden besiegen konnten. 1993 gewann das US-Team um Captain Tom Watson im englischen Club The Belfry gegen Team Europe mit 15 zu 13. Ganz so lang ist es bei den Europäern zwar nicht her, elf Jahre sind seit dem Wunder von Medinah, dem letzten Auswärtssieg, dennoch vergangen. Wie oft beim Ryder Cup die Heimteams gewinnen, hat etwas zu bedeuten. Punkt für Europa: 1:1!
3. Die Captains
Luke Donald und Zach Johnson sind die jeweiligen Captains von Team Europe und den USA. Doch beide haben ein ganzes Team an äußerst namhaften Ryder Cup Legenden als Vice-Captains. In Europa sind das die italienischen Molinari-Brüder Francesco und Edoardo, der Däne Thomas Björn, der Belgier Nicolas Colsaerts und der Spanier José María Olazábal. Bei den US-Amerikanern komplettieren Steve Stricker, Davis Love III, Jim Furyk und Fred Couples das Captains-Team. Doch interessant ist hauptsächlich der Blick auf den Erfolg jener Captains bei vergangenen Ryder Cups. In ihrer Rolle als Spieler, Captain oder Vice-Captain spricht die Statistik nämlich eindeutig für Europa. Zach Johnson konnte nur einen seiner fünf Ryder Cups gewinnen, Stricker einen von dreien, Davis Love III war nur bei drei von acht Aufeinandertreffen erfolgreich, Jim Furyk sogar nur bei zwei von zehn Ryder Cups und Fred Couples bei zwei von fünf. Insgesamt sind das mal gerade neun Siege aus 31 Ryder Cups. Bei den Europäern sieht das ganz anders aus. Luke Donald gewann alle seiner vier Ryder Cups, genau wie Francesco Molinari (drei von drei) und dessen Bruder Edoardo (ein Ryder Cup, ein Sieg), Thomas Björn (vier von vier) und Nicolas Colsaerts (ein Ryder Cup, ein Sieg). Einzig José María Olazábal gewann „nur“ fünf seiner acht Aufeinandertreffen. Die abschließende Quote des Captains-Teams: 17 Ryder Cups, 14 Siege. Ein klarer Punkt für Europa: 2:1!
Luke Donald (li.) und Zach Johnson (re.). Team Europe kann mit mehr Ryder Cup Siegern im Captains-Team aufwarten
4. Die Leistungsspitze
Kommen wir zu den Kategorien, die am Ende wirklich über Sieg und Niederlage entscheiden: die Leistung. Ein Blick auf die Weltrangliste genügt, um festzustellen, dass Team Europe in der Spitze hervorragend aufgestellt ist. Ganz unabhängig davon steht fest: Mit Jon Rahm, Rory McIlroy und Viktor Hovland haben die Europäer derzeit wohl drei der fünf besten Spieler der Welt. Einzig Scottie Scheffler kann da über die letzten Monate hinweg konstant mithalten. Ein weiterer Punkt für Team Europe: 3:1!
5. Die Leistungsdichte
Einziges Problem für die Europäer: Hinter den drei genannten Superstars und den weiteren qualifizierten Spielern wird es schon etwas dünner. Gerade die Wild Cards der USA stechen die Europäer dann doch deutlich aus. Wer einen Collin Morikawa, Jordan Spieth, Brooks Koepka und Rickie Fowler nominieren kann, dem ist leider nicht viel entgegenzusetzen. Punkt für die USA: 3:2!
6. Die Form 2023
Entscheidend für den Ausgang des Ryder Cups dürfte auch die aktuelle Form und die Leistung der Spieler in dieser Saison sein. Doch die ist gar nicht so einfach zu beurteilen. Nimmt man die Majorsiege, haben die USA die Nase vorn. Abgesehen vom Masters, dass Jon Rahm für sich entscheiden konnte, gingen alle anderen drei Titel in die Staaten: Die U.S. Open gewann Wyndham Clark, die PGA Championship Brooks Koepka und die Open im Royal Liverpool Brian Harman. Schaut man dagegen auf die Saisonwertung der PGA Tour, also den FedEx Cup, thront nach seinem atemberaubenden Finish in Viktor Hovland ein Europäer ganz oben. Mit Rory McIlroy als 4. und Tommy Fleetwood als 6. holten zudem zwei weitere Europäer am Ende eine Top-Platzierung. Auch bei einem Blick auf die anderen großen Turniere ist es eng. Scottie Scheffler gewann die Phoenix Open, Jon Rahm das Genesis Invitational, Scottie Scheffler die Players, Matt Fitzpatrick die RBC Heritage und Viktor Hovland das Memorial. Kein Sieger also in diesem Duell, beide bekommen einen halben Punkt. 3 ½ : 2 ½ !
7. Die Ryder Cup Erfahrung
Wirft man ausschließlich einen Blick auf die qualifizierten Spieler, so kommt das europäische Team mit deutlich mehr Ryder Cup Erfahrung daher, als das der Amerikaner. Für Wyndham Clark, Brian Harman und Max Homa ist es Ryder Cup Nummer eins, Xander Schauffele, Scottie Scheffler und Patrick Cantlay waren zumindest schon 2021 dabei. Allein Rory McIlroy hat mehr Ryder Cup Teilnahmen als alle diese sechs Spieler zusammen. Auch Spieler wie Tyrrell Hatton oder Tommy Fleetwood waren schon mehrfach dabei. Zwar bringen die amerikanischen Wild Cards ein wenig Erfahrung ins Team, dennoch haben die Europäer hier einen Vorteil, gewinnen den letzten Punkt des direkten Vergleichs und somit auch den Vergleich an sich: 4½ : 2 ½ für Europa!
MAX KIEFFER ZUM RYDER CUP 2023 PLATZT MARCO SIMONE
Nach seinem starken 5. Platz bei den Italien Open 2023 auf dem Golf Course Marco Simone erklärt der Deutsche Tour-Pro Max Kieffer, was den Ryder Cup Platz ausmacht, wo die Tücken liegen und welchem Team er aus welchen Gründen deie besseren Chancen einräumt.
Max Kieffer über…
… Marco Simone, den Ryder Cup Platz in Rom:
Je öfter ich den Platz spiele, desto besser gefällt er mir. Marco Simone ist schon ein cooler Platz, gerade auch für den Ryder Cup. Aber um ehrlich zu sein, es ist jetzt auch kein Wow-Platz. Wenn du mich fragst, welcher Platz ist der beste, den wir jedes Jahr spielen, würde ich jetzt nicht direkt an Marco Simone denken. Da hätte Deutschland als Austragungsland schon einiges mehr zu bieten.
… die Tücken und Besonderheiten des Platzes:
Die Löcher auf dem Marco Simone sind so angelegt, dass sie hervorragend zum Match-Play-Modus des Ryder Cups passen. Denn du hast einerseits sehr viele sehr schwere Löcher, aber auch viele Chancen zu scoren. So ist es auf jeden Fall ein Platz, auf dem viel passiert. Die Löcher 1, 2, 3 und 4 sind schon ein wirklich tougher Start, auch 7 und 8 sind nicht einfach. Danach kann man schon auch angreifen.
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… die Taktik zum Erfolg auf dem Marco Simone:
Auf dem Platz musst du eigentlich alles können. Am wichtigsten aber sind wahrscheinlich gute, genaue Drives, die das Fairway treffen und ebenso genaue Eisen ins Grün. Das Rough wird bekanntlich sehr hoch sein. Noch höher, als es das bei den Italian Open schon war. Landest du darin, wird es schwer, auf die richtigen Plateaus der echt tricky angelegten Grüns zu kommen. Mit guten Ausgangspositionen und den richtigen Längen beim Schlag ins Grün, ist es wiederum schon machbar, die Plateaus zu treffen und die Fahnen zu attackieren. Insgesamt kann man wohl sagen, ist es nicht wirklich ein Long-Hitter Platz, sondern eher ein Course, auf dem du genau sein musst. Beim Schlag ins Grün ist vor allem die Längenkontrolle entscheidend und deutlich wichtiger als den Ball Laser-mäßig, was dir Richtung angeht, direkt auf die Fahne zu schlagen. Kannst du Länge und Spin gut kontrollieren, kannst du auch den wirklich tückischen, tiefen Bunkern und False Fronts entgehen.
…das Team, dem der Platz besser liegt und seinen Favoriten:
Insgesamt ist Marco Simone kein Platz, der den Europäern unbedingt sehr zugutekommt. Paris National 2018 war auch ein schwerer Golfplatz, aber die Fairways waren enger und es gab sehr viel Wasser. Marco Simone ist fast schon ein wenig amerikanisch angelegt, gerade um die Grüns. Wenn du einen guten Schuss machst mit den Eisen, kannst du relativ easy das Birdie spielen. Doch wenn du keinen guten Eisenschlag erwischst, kämpfst du direkt ums Par. Das ist schon eher der Ami-Style. Auch deshalb sehe ich die Amerikaner favorisiert. Das europäische Team ist zwar ganz vorn sehr stark, doch ich sehe die Amerikaner in der Breite noch besser aufgestellt. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn es möglichst lange spannend bleibt und der Ryder Cup am besten erst im letzten Einzel am Sonntag entschieden wird.