Golf ist bei den Briems Familiensache.
Seit gerade einmal rund einem Monat ist die 19 Jahre alte Helen Briem Profigolferin und hat dennoch bereits mehr Siege auf einer professionellen Golftour einfahren können als andere Proetten in ihrer ganzen Karriere. Dreimal gewann die damals noch 18 Jahre alte Amateurin im Juni und September bei der LET Access Series, der Zubringer-Tour für die Ladies European Tour, und das in drei aufeinanderfolgenden Wochen. Derartiges war auf der Tour noch nie zuvor einer Spielerin gelungen. Die Stuttgarterin aber gibt sich cool: „Golf ist schwierig. Jeden Tag steht eine auf und hat einen guten Tag. Drei Turniere zu gewinnen, war nicht das Schwere, sie hintereinander zu gewinnen aber ist schon eine Hausnummer“, sagt Briem im Gespräch mit GOLF’n’STYLE .
Golf ist bei den Briems Familiensache
Die ehemalige Nummer eins der Amateurweltrangliste und bereits jetzt sechstbeste Deutsche in der Welt der Profis begann, gemeinsam mit ihrem Vater, mit dem Golfen bereits im Alter von drei Jahren. Auch Helens Schwester und Mutter spielen. „Wir haben eigentlich immer alles zusammen gemacht“, sagt sie. „Wenn nicht auf dem Golfplatz, dann waren wir gemeinsam mit dem Rad unterwegs oder fuhren Ski.“ Dadurch dass Helen und ihr Vater Jochen im kleineren Golfclub Hammetweil spielten, fehlte es der „kleinen“ Helen aber an der notwenigen Betreuung und so übernahm ihr Vater diese Rolle. „Ich war früher Handball-Jugendtrainer. Deshalb war mir so etwas nicht ganz fremd und hat mir Spaß gemacht. Und für das eigene Kind macht es halt noch viel mehr Spaß“, sagt Jochen Briem. Da aber beide vom ganzen Drumherum im Golfsport – gerade im Bereich Leistungsgolf und Trainingsstrukturen wenig Ahnung und keine Erfahrung hatten – arbeiteten sie sich zusammen in die Materie ein. „Von unten eine Stufe nach der anderen zu nehmen, hat unheimlich viel Spaß gemacht“, sagt Helens Vater, der seine Tochter auch heute noch zu vielen Trainings und Turnieren begleitet. Dass die heute 1,90 m große Helen einmal Profigolferin werden würde, daran hatte damals weder sie selbst noch ihr Vater geglaubt, geschweige denn gedacht.
Herausragende Amarteurkarriere
Dabei hatte sich der Weg ins Profigolf angedeutet. Durch die starke Jugend-Konkurrenz in Baden-Württemberg lernte Helen schon früh, worauf es ankommt. Als Juniorin räumte sie alles ab. Mit nur 15 Jahren wurde sie Europameisterin bei den Golf-Juniorinnen. 2023 gewann sie als erste Deutsche in der 104-jährigen Geschichte die R&A Girls‘ Amateur Championships in England. Dazu gehörte sie zum erfolgreichen Team Europa im Junior Solheim Cup und im Junior Ryder Cup. Mit der deutschen Nationalmannschaft und auch im Einzel holte sie den Sieg bei den European Young Masters und dem European Nations Cup, in diesem Jahr Jahr gewann sie die European Ladies‘ Team Championship mit ihren deutschen Kolleginnen. Nach ihrem in diesem Sommer bestandenen Abitur auf ein College in den USA zu gehen war für sie keine Option. Stattdessen beginnt sie im Oktober in der Heimat ein berufsbegleitendes Pharmatechnik-Studium, „nur dass ich halt auf dem Golfplatz und nicht im Büro arbeite“, sagt Helen und lacht. „Klar ist mir schon auch bewusst, wenn es langfristig im Golf nach oben gehen soll, komme ich um Amerika nicht herum. Aber stand jetzt sehe ich mich nicht mit meinem Hauptwohnsitz in Amerika.“ Dafür ist sie zu heimatverbunden und auch das schwäbische Essen liegt ihr einfach zu sehr am Herzen. Spätzle, Maultaschen: egal, Hauptsache schwäbisch. Außerdem hat sie ja schon bewiesen, dass sie bereit ist für die Profikarriere. Und dass sie auch auf einer Tour höher mithalten kann, ist sowieso allen klar. Bei dem deutschen LET-Turnier German Masters wurde sie starke geteilte 11., nur zwei Wochen später verpasste sie in Schweden erst im Play-off ihren ersten Ladies-European-Tour-Sieg und wurde Zweite.
Tiger? Nelly? Mikaela Schiffrin!
Auf dem Weg in den professionellen Golfsport hat sich Helen Briem anders als die meisten professionellen Golferinnen und Golfer übrigens weder von Spielern wie Tiger Woods oder Rory McIlroy noch von Spielerinnen wie Annika Sörenstam oder Nelly Korda inspirieren lassen. Ihr sportliches Vorbild ist nicht einmal Golfprofi. Die amerikanische Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin ist ihr großes Idol. „Die Coolness, mit der sie auftritt und wie sie Sachen zu Ende bringt, finde ich sehr beeindruckend“, sagt Briem, für die Wintersport ohnehin einen großen Stellenwert einnimmt. „Ski-Alpin, Skispringen, Biathlon, Nordische Kombination, Rodeln oder Bob – ich liebe alles davon.“ Und ihr Interesse daran ist sogar größer als das für Profigolf. „Bis vor eineinhalb Jahr habe ich Profigolf eigentlich gar nicht verfolgt. Damit bin ich einfach nicht groß geworden. Natürlich interessiert es mich, aber Wintersport ist für mich die klare Nummer eins.“
Der Traum von Los Angeles
Die Nummer eins für sie aus Golf-Sicht ist derweil weder ein Sieg bei einem Major noch die Teilnahme an einem Solheim Cup. Deutschlands größtes Golftalent träumt vielmehr von Los Angeles 2028. „Mein Ziel ist Olympia“, sagt Helen. „Olympia ist nur alle vier Jahre, und Majors sind viermal pro Jahr. Am Ende ist es 16:1“, so rechnet die 19-Jährige vor. Die nächsten vier Jahre liege der Fokus also ausschließlich darauf, Deutschland bei den Olympischen Spielen zu vertreten. Dann werde man sehen, wo man stehe und „dann geht es wieder von vorne los“.
Fotos: Getty Images /Valerio Pennicino | Text: Julius Allzeit und Thorsten Felske