Page 25 - GnS_224
P. 25

                 Hilfe suchte sich in der sportlichen Krise auch Wyndham Clark. „Ich war früher sehr wütend, sehr hart zu mir selbst. Ich hatte meinen Kopf jahrelang darauf trainiert, mich selbst zu be- schimpfen und negativ zu denken, habe mich im Zimmer eingesperrt, mich betrunken und war gemein zu anderen“, erzählte Clark in Full Swing. „Ich habe gedacht: Ich bin mies, ich bin scheiße, ich werde nie einen Cut schaf- fen.“ Dann fand auch er in Julie Elion einen Performance-Coach. Das Ergebnis: In seiner fünften vollen Saison auf der PGA Tour ge- wann Clark bei den Wells Fargo Champion- ship im Mai 2023 sein erstes Turnier. Andert- halb Monate später folgte mit den U.S. Open sein erster Major-Triumph. Er schaffte es ins Ryder-Cup-Team in Rom und gewann im Feb- ruar 2024 auch noch in Pebble Beach. Er lern- te, zufriedener mit sich zu sein, und das wirkte sich auf seine Leistung aus.
„Im Endeffekt sind alle Profigolfer mental sehr stark“, sagt Fischer. Was nicht bedeute, dass sie nicht dennoch Hilfe bräuchten. „Die eigene Betriebsblindheit und die fehlende Auseinandersetzung mit sich selbst“ seien Gründe, warum es Sinn ergebe, mit einem Life-, Performance- oder Mentalcoach zu- sammenzuarbeiten, und dass dies heutzuta- ge auch fast alle Spieler täten. Ein grundle- gendes Problem sei vor allem, dass sich Spieler schon in jungen Jahren von ihrer Per- sönlichkeit her in die falsche Richtung entwi- ckeln würden. „Mit den Sportlern wird falsch umgegangen. Deshalb sind wir in vielen Sportarten in Deutschland auch nicht mehr Weltklasse“, sagt Fischer. „Die Spieler müs- sen erst einmal lernen, wer sie sind, wie sie ticken und wie man mit den Mechanismen des Profisports klarkommt.“ Er hat das Ge- fühl, viele Spieler blickten nur von Runde zu Runde und seien dabei ausschließlich auf „Birdiejagd“, anstatt das große Ganze, nämlich die langfristige Entwicklung über längere Zeiträume, zu sehen. „Über die stra- tegische Stärkung der Persönlichkeit“ käme der Erfolg dann ganz von allein. Beim Stich- wort Persönlichkeit wird Fischer dann noch mal genauer. Er ist sich sicher, dass mehr oder weniger alle Golfprofis zu den hoch-
sensiblen Personen (HSP), die in Deutschland rund 20 % ausmachen, zählen. Diese seien in ihrem Bereich hochbegabt und dadurch charak- terisiert, dass sie sich viele Gedanken machen, gleich 20 Lösungsan- sätze auf einmal im Kopf haben und ein anderes Reaktionsmuster als andere Menschen aufweisen. HSPler seien gleichzeitig immer auch Zweifler und entscheidungsschwache Persönlichkei-
ten. Umso wichtiger sei es für Golfprofis, zu ver- stehen, wer sie sind und dies von innen heraus wertungsfrei anzunehmen. „Wir müssen aufhö- ren, junge Sportler in vorgegebene Muster und Strukturen zu pressen, sondern erkennen, wer
Kam mit dem schnellen Ruhm nicht klar: Joel Dahmen
sie wirklich sind, wie sie ticken und was sie brauchen, um sich weiterzu- entwickeln“, sagt Fischer. „Erst dann wird es in Deutschland wieder häufig Weltklasse-Athleten geben, Typen beziehungsweise Persön- lichkeiten wie einen Marcel Siem zum Beispiel.
25
 EXTERNE HILFE IST WICHTIG
        GOLFER SIND HOCHSENSIBEL
    HOLGER FISCHER – LIFE- UND KARRIERE-COACH
Der Life- und Karriere-Coach, Holger Fischer, begleitet unter an- derem Profisportler auf ihrem Weg. Der mentale Aspekt ist dabei „nur“ eine von zwölf Stellschrauben, an denen er dreht, um mit den Sportlern über ihre Persönlichkeit und äußere Einflüsse ihre Ziele zu erreichen. Dabei entwickelt er Strategien für dauerhaften Erfolg. Er ist zudem Autor mehrerer Bücher wie „Karrierekiller“. Zu den bekannten Golfern, mit denen er arbeitet, zählen Marcel Siem, Nick Bachem und Freddy Schott.
Fotos: Imago Images
       






















































































   23   24   25   26   27