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Golf

Ich & mein Holz: Der zweite Anlauf

5. April 2020Mai 3rd, 2022
Frau steht auf dem Golfplatz mit Golfschläger
Fotos: mal; Pixabay.com

Nach dem aufgezungenen Platzreifekurs herrschte zwischen mir und dem Golfsport für lange Zeit Funkstille. Bis die Umstände mich dazu zwingen, es doch noch einmal zu versuchen…

Es  ist März, eiskalt und windig, aber sehr sonnig. Geht es Ihnen an solchen Tagen auch so, dass Sie unbedingt raus an die frische Luft wollen? Ich eröffne meiner Familie beim Frühstück, dass wir doch mal wieder einen schönen Sonntagsspaziergang machen könnten. Seit unsere Hündin Nelly uns verlassen hat, ist so ein Spaziergang eine Sache, die von langer Hand vorbereitet werden will und bei der ich meinen Mann und Sohn geradezu anbetteln muss, damit sie mitkommen. Tja, was soll ich sagen – auch heute ernte ich wieder ungläubiges Kopfschütteln und die knappe, aber deutliche Ansage, dass Spazierengehen ja wohl nur Sinn ergebe, wenn man a) einen Hund ausführt, b) wandern möchte, zum Beispiel in den in den Bergen, oder sich c) auf dem Golfplatz die Beine vertritt – aber ganz sicher nicht, wenn man einfach nur ziellos durch die Landschaft schleicht. „Geh doch Joggen, das machst du doch so gern” – mit diesem Rat stehen die Herren auf, drücken mir noch einen Kuss auf die Wange und verabschieden sich zu einer schönen Runde Wintergolf mit den neuen matten Neonbällen in Grün, Pink und Orange. Ehrlich gesagt graut mir schon jetzt ein bisschen vor dem Sommer: Kein Hund, keine Familie – die spielen ja  in ihrer Freizeit bei gutem Wetter dauernd Golf – und seit Neuestem auch keine Freundinnen mehr im Zugriff. Denn was haben die jetzt wohl als neues, zeitraubendes Hobby entdeckt? Richtig, Golf spielen! Das mache ja so viel Spaß und sei eine so gesellige Sache, weil man sich nach der Runde noch so nett im gediegenen Clubhaus auf ein Prosecco treffen könnte, schwärmen die Damen. Boah, wie mich das nervt! Jetzt verabreden sie sich, um gemeinsam in irgendwelche Outlet-Malls zu fahren und sich so richtig chic golftauglich einzukleiden. Plötzlich stehen Miniröcke, die bei der Dame ab 40 eigentlich ein No-Go sind, wieder ganz hoch im Kurs, dazu knappe Oberteile in wahnwitzig bunten Designs und noch knalligere Caps – oder schlimmer noch, diese Caps, die nur aus einem Schirm bestehen, weshalb einem mit denen die Kopfhaut wegzuglühen droht.

Kurz vor unserem ersten kleinen Cluburlaub Ende April in Spanien, den mein Mann natürlich mit Golfpackage gebucht hat, nehme ich mir vor, das wirklich umfassende Sportangebot des Clubs zu nutzen und heimlich eine Stunde Golfunterricht zu nehmen. Das bekommt der Rest meiner Lieben gar nicht mit und ich kann noch einmal testen, ob meine Talentfreiheit auf dem Golfplatz wirklich so allumfassend ist, wie es bisher den Anschein hatte. Gesagt, getan: Jeden Morgen um 9 Uhr überlässt meine Familie mich meinem eigenen Urlaubs-Schicksal – was sich in einem andalusischen Club bei 25 Grad, All-Inclusive-Verköstigung und einem erstklassigen Sport- und Entertainment-Angebot ziemlich gut aushalten lässt. Ich springe also auf, gehe ins Golfbüro und frage nach einer Unterrichtsstunde. Knapp zwei Stunden später stehe ich, mit einem Leih-Bag ausgestattet, am Shuttle-Stop kurz vor dem örtlichen Golfclub. Hier treffe ich auf Nick, meinen englischen Golflehrer (gibt es unter den Teaching Pros eigentlich noch andere Nationalitäten außer der britischen?) und wir betreten gemeinsam das Golfclub-Entree. Hier stockt mir zunächst einmal der Atem: Was für ein Ausblick! Über einen Infinitypool hinweg blicke ich, die sanften Golfhügel hinab, bis auf das Mittelmeer. Also eines muss man diesem Sport lassen: Es gibt schon einige sehr schöne Flecken Erde, auf denen Golfplätze errichtet sind. Ich kann schon verstehen, dass das für viele einen Reiz des Sports ausmacht. Wir gehen direkt auf die Driving Range, wo Nick und ich ganz allein sind. Er ist so begeistert von „seinem Sport”, dass der Funke auch bei mir fast direkt überspringt. Nach ein paar Tipps von Nick schlage ich einfach drauflos, immer dem Meer, den Palmen und der Sonne entgegen. Sofort merke ich: Jetzt kann ich es! (Und ich weiß, dass so der kürzeste Golferwitz aller Zeiten lautet.) Aber ernsthaft: Jeder Ball fliegt mit meinem Eisen 7 so richtig schön geradeaus – und auch noch ziemlich weit. Gerade erst eingeschlagen, ist die Stunde auch schon wieder vorbei. Nick entlässt mich mit den Worten, ich sei ein richtiges Naturtalent. Ich vermute allerdings, dass er das zu allen seinen Schülern sagt. Beschwingt bringe ich meine Ausrüstung zurück ins Hotel und warte ungeduldig auf meine Familie, um die große Neuigkeit zu verkünden. Als ich dann beim Abendessen ganz beiläufig erwähne, dass ich jetzt bereit bin für den Golfsport, fallen meinen Lieben fast die Bissen aus dem Mund. Auf Gelächter, weil sie denken, das wäre ein Scherz, folgt noch mal Gelächter, als ich berichte wie weit ich geschlagen habe. Als Sie merken, wie ernst es mir ist, entdecke ich dann aber echte Freude in ihren Gesichtern.